Parteien in Deutschland 1848-1862

Parteien in Deutschland 1848-1862
Parteien in Deutschland 1848-1862
 
In den Revolutionsjahren 1848/49 hatten sich in den politischen Gruppierungen der Konservativen, der Liberalen, der Demokraten jene Kräfte herausgebildet, aus denen sich allmählich die ersten politischen Parteien entwickelten. Hinzu kamen noch die sich vorwiegend im norddeutschen Raum und in der sich anbahnenden preußisch-protestantischen Reichsbildung als eigenständige politische Kraft sammelnden Katholiken und - im Zusammenhang mit der entstehenden Arbeiterbewegung - die Sozialisten.
 
Verlierer der bürgerlichen Revolution von 1848/49 waren in erster Linie die Liberalen. In den Jahren der Reaktion von 1849 bis etwa 1858 standen deshalb die Konservativen im Vordergrund des politischen Geschehens.
 
In Preußen unterstützte innerhalb der Konservativen Partei eine hochkonservativ-reaktionäre Gruppe, die bald nach ihrer das Eiserne Kreuz als Emblem im Titelblatt tragenden Zeitung »Kreuzzeitungspartei« genannt wurde, die reaktionäre Regierungspolitik. Diese Gruppierung vertrat vor allem die Interessen der ostelbischen Großagrarier. Sie lehnte jede Bindung des Staates an eine Verfassung ab, hielt an einer Ständeordnung und der religiös begründeten Verbindung von Thron und Altar fest und sah selbst in einer nationalen Bewegung zur Einigung Deutschlands eine die gottgewollte Ordnung zerstörende Strömung. 1851 spaltete sich von der Konservativen Partei ein liberal-konservativer Flügel ab, der nach seinem Presseorgan »Preußisches Wochenblatt zur Besprechung politischer Tagesfragen« den Namen »Wochenblattpartei« annahm. Seine Vertreter hielten an der Verfassung von 1850 fest, erstrebten die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung und bekämpften die reaktionäre Politik der ultrakonservativen Regierung. Die Partei stützte sich nicht nur auf Anhänger in der Unternehmerschaft der preußischen Westprovinzen, sondern verfügte auch über Verbindungen zum Bruder des Königs, Prinz Wilhelm. Trotz dieser Beziehungen blieb die Wochenblattpartei relativ einflusslos, als der Prinz 1858 zunächst als Regent, ab 1861 als König die Leitung des Staates übernahm. Einige ihrer Führer wurden zwar in die neue liberalere Regierung der »Neuen Ära« berufen, doch existierte die Wochenblattpartei 1858 faktisch nicht mehr.
 
1859 gründeten Liberale und gemäßigte Demokraten den Deutschen Nationalverein mit dem Ziel, den 1849 mit der Reichsverfassung begonnenen Weg wieder aufzunehmen und einen deutschen Bundesstaat unter preußischer Führung zu schaffen. Zwei Jahre später - am 6. Juni 1861 - gründeten viele der im Nationalverein aktiven Führungspersönlichkeiten die Deutsche Fortschrittspartei. Es war die erste Parteigründung der deutschen Geschichte mit gleichzeitig verkündetem, fest umrissenem Parteiprogramm. Ihre Arbeit war von Anfang an auf ganz Deutschland bezogen. Die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung, Verwirklichung des Verfassungsstaates sowie die volle Verantwortlichkeit der Minister und konsequente Trennung von Kirche und Staat waren ihre Hauptziele. Einen durchorganisierten Parteiapparat nach modernem Muster besaß die junge Partei noch nicht, sie war eine Honoratiorenpartei, ihre Führer kamen aus dem kaufmännischen und industriellen Unternehmertum, dem Bildungsbürgertum und dem Kreis liberaler Großgrundbesitzer.
 
1862 errang die Deutsche Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhaus mit 104 Mandaten die Mehrheit der Sitze, während gleichzeitig die Konservativen erhebliche Verluste hinnehmen mussten. Sie geriet in dem sich zum Verfassungskonflikt ausweitenden Streit um die vom König geforderte Budgetbewilligung für die Heeresreform in scharfen Gegensatz zu ihm und zu seinem neuen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck, der das Parlament ausschaltete und die Heeresreform trotz fehlendem Haushaltsgesetz durchsetzte.

Universal-Lexikon. 2012.

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